Was sind gotische Kirchenfenster? -
Kurze Einführung in die Gotik

Gotische Kirchenfenster sind natürlich Fenster in gotischen Kirchen. Aber was sind gotische Kirchen und wie unterscheiden sie sich von anderen Kirchen? Und was haben gotische Kirchenfenster mit geometrischen Mustern zu tun?

Diese Fragen sollen in diesem Text geklärt werden. Für eine ausführliche kunstgeschichtliche Betrachtung der Gotik sei auf das Standard-Werk Binding [2000] verwiesen. Eine gute Zusammenfassung bietet Karen Schnoor in Kapitel 4 ihrer Staatsexamensarbeit (Schnoor[2003]).

Was ist Gotik?

Die Gotik ist eine Stilepoche in der europäischen Kunstgeschichte, die ihre größte Bedeutung in der Architektur hat. Hier besonders bei der Kirchenbaukunst. Sie entstand in Frankreich Mitte des 12. Jahrhunderts. Dort wurde auch die erste gotische Kirche erbaut: die Abteikirche von Saint-Denis (siehe Abb. 1) im Norden von Paris. Sie wurde im romanischen Stil begonnen und im gotischen vollendet. An Ihr ist gut zu erkennen, worin sich die Baustile unterscheiden.

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Abb. 1: Abteikirche Saint-Denis
Westfassade Nordfassade
(Fotos von Jaques Mossot [Quelle Stand 27.8.2003])

Wenn man sich die beiden Bilder genauer betrachtet, fällt auf, dass in der gotischen Nordfassade die Fenster eine viel größere Rolle spielen. In der romanischen Westfassade gibt es nur kleine Fenster, während die Nordfassade beinahe nur aus Fenstern besteht. Wenn man sich jetzt noch einmal die Fenster genauer ansieht, so entdeckt man, abgesehen von der Größe, dass die romanischen Fenster nach oben hin durch einen Halbkreis, einen so genannten Rundbogen, begrenzt sind. Die gotischen Fenster sind dagegen durch einen so genannten Spitzbogen "überdacht". Ein Spitzbogen lässt sich fast genauso leicht konstruieren, wie ein Rundbogen. Er besteht aus dem rechteckigen Fenster, das nach oben durch die so genannte Kämpferlinie begrenzt ist. Deren Randpunkte bezeichnet man als die Kämpferpunkte K und K' (siehe Abb. 2).

Abb. 2: Konstruktion Spitzbogen
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Wenn man um die Kämpferpunkte Kreise mit dem Radius der Länge der Kämpferlinie zeichnet, erhält man den Spitzbogen wie in der Abbildung zu sehen. Diese Konstruktion der Spitzbögen kann man noch variieren, indem man die Mittelpunkte der Kreise nach Außen (überhöhter Spitzbogen) oder Innen (gedrückter Spitzbogen) verschiebt, wie folgende Simulation zeigt:

Cinderella-Applet 1: Konstruktion von Spitzbögen

Jetzt wissen wir, wie die Fenster von gotischen Kirchen in ihrer Grundform aufgebaut sind. Allerdings sind die Fenster, wie wir schon auf dem Foto der Abteikirche Saint-Denis sehen können, auf besondere Weise ausgeschmückt.

Im Folgenden können Sie sich einige Bilder von gotischen Kirchenfenstern anschauen:

Abb. 3: Johanneskirche in Darmstadt (Fotos: privat)

Man sieht, dass die Fenster untergliedert sind. Senkrecht verlaufende Streben unterteilen das Fenster in Bahnen. Man nennt diese Streben das Stabwerk. Es trägt zur Stabilität der im Vergleich zur Romanik großen Fenster bei.

Die Bahnen sind nach oben wiederum meist von Spitzbögen geschlossen. Darüber sitzt meist ein Kreis, der durch verschiedene Formen ausgestaltet ist. Den Bereich oberhalb der Bahnen nennt man das Bogenfeld oder Couronnement des Fensters.

Die Ausgestaltung dieses Bogenfeldes nennt man Maßwerk.

Im Folgenden werden einige typische Formen des Maßwerk vorgestellt. Weiter zum Artikel über das Maßwerk ®